Maria mit der Traube

Aus der Schriftenreihe zur Geschichte der Marterl in Illmitz von Hans Kroiss.

Neben den Wegkreuzen zählen natürlich auch unsere Kapellen zu den sakralen Denkmälern.

Wohl durchdacht steht unsere jüngste Kapelle am Güterweg zwischen Illmitz und Apetlon und dem Pilgerweg nach Frauenkirchen. Der nach Südosten (Jerusalem) ausgerichtete Sakralbau mit abgestuftem Vor-und Haupthaus mutet mit den Säulen und Seitenfenstern neoromanisch an, die Giebel erinnern an unsere alten barocken Bauernhäuser. Ein Herzenswunsch unseres Diakons Geistl. Rat Richard Müllner (Brigadier i.R., ehem. Kommandant der Kaserne Bruckneudorf) unter der Bauaufsicht (auch Planung) seiner Tochter, Baumeisterin Ing. Claudia Müllner, und mit kräftiger Mithilfe vieler Illmitzer und seiner Soldaten 2005 in Erfüllung.

Überstrahlt wird der Altarraum von der über einen Meter hohen Statue der Madonna mit dem Jesuskind und einer etwas überdimensionierten Weintraube. Der illmitzer Künstler Josef Toth fertigte diese moderne Skulptur aus einem Stück Lindenholz. Darstellungen von Maria mit der Traube haben eine lange Tradition in der Kunstgeschichte und symbolisieren den weiteren Lebens- und Leidensweg Jesu. Vor allem im deutschsprachigen Raum war die Traubenmadonna mit den biblischen Hinweisen auf die Bedeutung des Weines (gelobtes Land, Gleichnis von Weinstock und Rebe, letztes Abendmahl) weit verbreitet. Natürlich wurde sie vor allem in Weinbaugebieten verehrt und firmierte zur Schutzpatronin der Winzer. Es nimmt also nicht Wunder, dass Maria mit der Traube auch in unserer Weinbaugemeinde Illmitz einen prominenten Platz einnimmt.

Schon Kelten und Römer bauten in unserer Gegend Wein an. Zwar gibt es einige Hinweise auf spärlichen Weinbau etwa auf einem Gedenkstein (1598) und in Weisbüchern und Urbaren, aber nennenswerter Weinbau in Illmitz ist erst ab dem 19. Jhdt. verbrieft. Pfarrer Mikuska setzte 1809 südlich von Illmitz einen Weingarten aus und einige Illmitzer taten es ihm nach. In der Reblauskrise an der Wende zum 20. Jhdt. zeigten unsere Sandböden hohe Resistenz gegen diesen Schädling, und die illmitzer Sandweine wurden über den Seewinkel hinaus bekannt.

 
Vor und im 1. Weltkrieg stagnierte der Weinbau. Die Angliederung des Burgenlandes 1921 an Österreich gab durch die neue Marktsituation und vermehrten Informationsaustausch mit österreichischen Winzern dem Weinbau in Illmitz einen größeren Schub (19 ha im Jahr 1913 auf 234 ha 1936). Nach dem 2. Weltkrieg und der russischen Besatzungszeit kam es zu einem fulminanten Aufschwung. Vor allem die Umstellung der alten Stockkulturen auf Drahtrahmenerziehung und Hochkulturen forderten moderne Bearbeitungsmethoden, adäquate Kellertechniken wurden eingeführt. Ein Höhenflug von Illmitz zu einer der größten Weinbaugemeinden Österreichs setzte ein. Vor allem unsere süßen Prädikatsweine waren sehr gefragt. Der Weinskandal 1984/85 (Stichwort Glykol, minderwertige Weine wurden aufgebessert) erschütterte unser Illmitz bis ins Mark. Vor allem zwielichtige Zwischenhändler
machten durch ihre Machenschaften dem florierenden Weinbau in Illmitz fast den Garaus. Die Reaktion: Illmitz, Boden der Weltmeisterweine. Keineswegs bedurfte es nur eines neuen, strengen Weingesetztes. Die Illmitzer Winzer haben sich schon selbst geholfen. Gab es auch ein langsames Sterben vieler kleiner Weinbauern, so sind unsere heutigen Weine weltweit gefragter denn je. Aufgeschlossenheit, Innovationslust, Professionalität und offensives Marketing unserer jungen Winzergeneration führen heute zu höchsten internationalen Auszeichnungen, Illmitzer Wein ist sprichwörtlich in aller Munde.

Doch nun zurück zu unserer Kapelle. Das südseitige Glasfenster in Tiffany – Manier wurde von der Illmitzerin Johanna Graf gestaltet und widmet sich ebenfalls dem Hauptthema. Symbolträchtig ist auch der kleine Holzaltar. Auf einem Nussholzsteher lagern zwei ineinander verschränkte Platten aus Kirschholz. Dies soll auf die Pfarrgemeinschaft mit unserer Nachbargemeinde Apetlon hinweisen. Vermutlich schon in der Reformationszeit wurde Apetlon mit Illmitz zusammengelegt, mit dem Pfarrsitz in Illmitz, und erst 1826 als eigenständige Pfarre installiert. Aufgrund des heutigen akuten Priestermangels bilden die Nachbargemeinden wieder eine Gemeinschaft.

Auch der steilen soldatischen Karriere des Erbauers, unseres Diakons Richard Müllner, wird Rechnung getragen. Das Podest der Traubenmadonna ist ein alter Zirbenstrunk vom Truppenübungsplatz Seetaler Alpen (Zirbitzkogel) und die Bodenklinker stammen aus den alten Baracken des Truppenübungsplatzes Bruckneudorf, erbaut 1867.

„Maria mit der Traube“: Ein strahlkräftiges Ensemble, das nicht nur zu stillem Gebet einlädt, sondern auch ein Ziel vieler Wallfahrten ist und auch für kleine Feierlichkeiten wie Totengedenken oder Hochzeitsjubiläen genutzt wird.