Schmerzhafte Muttergottes

Die wandernde Pieta auf dem Hauptplatz.

Aus der Schriftenreihe zur Geschichte der Marterl in Illmitz
von Hans Kroiss

Katholisches Glaubenszeugnis mit dem Jesuitenmonogramm, Schutz vor dem Pesthauch und letztendlich überragender Mittelpunkt des Kriegerdenkmals.

Hauptplatz Illmitz 1909

Kriegerdenkmal 1967

Hauptplatz 2003
Auf einem wuchtigen prismatischen Sockel, der auf einem doppelt abgetreppten Postament ruht, steht diese wunderschön gearbeitete Pieta auf einer stark ausladenden Deckplatte. Beschreibt sie auch der Illmitzer Chronist Dr. Egermann als polychrom, so ist sie doch nachweislich (Foto vom Hauptplatz 1909) schon lange ohne Farbgebung. Diese Skulptur wird in Fachkreisen auch Pieta am Steinhügel genannt, da die schmerzhafte Muttergottes an einem angedeuteten Felsen sitzt. Auf der Hinterseite des Sockels ist mittig 1757 als Jahr der Errichtung eingemeißelt. Die Pieta ist also aus dem Hochbarock und weist starke Ähnlichkeiten mit den Darstellungen im Wallfahrtsort Loretto auf.

Ursprünglich stand sie nahe der südlichen Spitze des als Dreiecksanger angelegten Hauptplatzes, vor dem Haus der Familie Miller vulgo „Müllnerste:iffl“. Laut alten mündlichen Überlieferungen sollen in der Pestzeit fast alle Mitglieder dieses Bauernhauses an dieser Seuche verstorben sein. Die Nachfolger der Familie (noch immer Miller, erst 1831 hat ein Kroiss hineingeheiratet) haben die damaligen guten wirtschaftlichen Beziehungen Westungarns zu den österreichischen Erblanden vor allem in der Regierungszeit Maria Theresias sehr wohl zu nutzen gewusst und einen florierenden Handel mit Schilfrohr und Seefischen nach Wien aufgebaut. Zu relativem Reichtum gelangt, ließ man dieses Denkmal zum ewigen Gedächtnis an die Pest erbauen. Die Familie gelobte auch die jährliche Errichtung eines Altares zu Fronleichnam.

Dass diese Pieta mit dem Schutz vor der Pest zu tun hat, erzählte noch die alte „Seffi-Basl“ (Josefa Rauchwarter †1963), eine gar wundersame Frau, die auch als heilkundig galt und eigene Wundsalben für die Illmitzer herstellte. „Hoawudal, hoa! Re:innt das Fagerl iwan Mist, laost a Batzerl folln, de:is is das Seffi ihr Solm“, hat man den Kindern beruhigend vorgesagt, während man die Salbe auf eine Wunde strich. Diese Frau nun behauptete steif und fest, dass sie einmal den Pesthauch vom Friedhof her durch die „Friedhofreiher“ (heute Kindergartengasse) ziehen sah und diesem erst die Pieta, die ja in der Verlängerung dieser Gasse stand, Einhalt gebot.

Allerdings wurden die Pesttoten früher nicht im Friedhof bestattet, sondern außerhalb des Dorfes, etwas nördlich der heutigen Quergasse. An der Kreuzung Pfarrergraben und Triftweg stand noch in der Zwischenkriegszeit ein unbehauener großer Stein, der die ehemalige Pestgrube markierte und von den späteren Illmitzern als Hexenstein bezeichnet wurde. Die „Seffi-Basl“ hätte somit den Pesthauch  eigentlich vom Norden her kommen sehen müssen. Auch wurde der heutige Friedhof erst 1778, also lange nach der Pestzeit, eröffnet. In den Matrikelbüchern der Pfarre Illmitz scheinen im Pestjahr 1713 nur 35 Todesfälle auf, was damit zu tun hat, dass die Pesttoten nicht vom Pfarrer eingesegnet werden durften, wegen der hohen Ansteckungsgefahr nur von bereits aus dem Dorf ausgeschlossenen Infizierten begraben wurden, und daher nicht als christliche Begräbnisse gerechnet wurden. Einzig in einer Pfarrchronik aus Podersdorf wird vermeldet, dass 1713 in Illmitz 102 Personen an der Pest verstorben seien.

Nun aber zurück zu unserer Pieta.
Sie stand schon lange vor der Grundsteinlegung (1775) für die heutige „Alte Kirche“, die nach einigen Unterbrechungen 1792 fertiggestellt wurde. Die Illmitzer begannen schon im 17. Jahrhundert aufgrund hoher Wasserstände ihr altes Dorf südöstlich des Kirchsees zu verlassen und bauten am heutigen Standort. 1715 ließ Fürst Esterházy auf dem  neu entstandenen Hauptplatz eine Kapelle zu Ehren der Hl. Familie, von der Bevölkerung auch Josephikapelle genannt, für die Messfeiern errichten. Die Martinskirche im alten Dorf war schon baufällig und schlecht zu erreichen. Auf zwei Holzpfeilern wurde eine Glocke aus der alten Kirche, später eine zweite, neben der Kapelle aufgehängt, wie das Visitationsprotokoll von 1663 belegt. In diesem Ambiente wurde also unsere Pieta aufgestellt.

Eine zweite Jahreszahl auf dem Sockel, 1761, also nur vier Jahre nach der Errichtung, kann natürlich nichts mit einer ersten Renovierung zu tun haben. Es ist davon auszugehen, dass das sogenannte Blendmaßwerk mit Spiegel und dem Jesusmonogramm IHS in diesem Jahr an der Vorderseite der Säule angebracht wurde. Der damalige Pfarrer Franz Xaver Svaizer studierte bei den Jesuiten in Györ und hat die Kurzform für Jesus als Wahlspruch dieses Ordens (Iesum Habemus Socium =Wir haben Jesus als Gefährten) in diesem Schild verewigt. Im Volksmund wird das Monogramm IHS als Jesus, Heiland, Seligmacher gedeutet.

1967 wurde anlässlich der 750-Jahr-Feier die Pieta zwischen den zwei Sandsteinblöcken des neuen Kriegerdenkmals südlich der Bartholomäusquelle positioniert. 1996 wurde das Kriegerdenkmal mit der Pieta als Mittelpunkt saniert und erhielt im Zuge der Neugestaltung des gesamten Illmitzer Hauptplatzes 2006 vor der neuen Kirche seinen heutigen Platz.