Dreifaltigkeitssäule

„Hɐoushɐnsl – Kreiz“,  Lichtsäule Wüger.

Aus der Schriftenreihe zur Geschichte der Marterl in Illmitz von Hans Kroiss

Steinernes Dokument aus dem Ersten Weltkrieg.
Kriegsleiden an der Front und Mangelwirtschaft
in der österreichisch-ungarischen Monarchie.

 

 

Gleich außerhalb von Illmitz an der Straße nach Podersdorf steht diese Lichtsäule auf einem quadratischen Postament mit einer eingelassenen Steintafel und folgender Inschrift: 
Zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit / und des hl. Erzengels Michael / errichtet von / Stefan und Maria Wüger / im Jahre 1916 / Zum Andenken an unseren / einzigen, unvergesslichen Sohn / Michael Wüger / gest. 27.2.1915 im 26. Lebensjahr / in Munkács infolge Kriegsleiden
An der Stirnseite der schlanken Säule ist das Bild des Sohnes als Soldat angebracht, darüber ein vergoldetes Relief des Erzengels Michael als Namensgeber des Gefallenen. Auf einer vorspringenden Abdeckplatte thront die vergoldete Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit.
Michael Wüger wurde relativ früh im Großen Krieg einberufen, kam als Infanterist an die Front gegen Russland und wurde schwer verletzt. Allerdings hat ihn letztendlich nicht allein die Schussverletzung, sondern die grassierende Ruhr dahingerafft. Man kann sich also die katastrophalen sanitären Verhältnisse in den Lazaretten hinter der Front vorstellen.
Einen Monat vor dem Attentat auf den Österreichischen Thronfolger in Sarajewo hat er geheiratet, nämlich die Rosa Gartner aus Oberillmitz. Gleich nach der Kriegserklärung an Russland kam er an die Ostfront, wurde  verwundet und starb.
Warum zwei Familiennamen für das Kreuz? Michael war nicht nur der einzige Sohn von Stefan und Maria Wüger, er hatte auch nur eine Schwester, Maria. Diese heiratete den Josef Jandl, einen „Hɐoushɐnsl“,  und hat als Heiratsgut von Ihrer Familie Wüger auch das Grundstück in den „Hirschackerln“ (Äcker, wo Hirse, illmitzerisch Hirsch, angebaut wurde),  an dem das Kreuz von ihren Eltern errichtet worden war, überschrieben bekommen. Seither betreut die Familie Jandl diese Lichtsäule und wird deshalb auch nach deren Vulgonamen „Hɐoushɐnsl“ von den Illmitzern benannt.
Auch Josef Jandl, der Ehemann von Maria, geborene Wüger, fiel im Ersten Weltkrieg. Damit die Bauernwirtschaft durch Erbfolge nicht auseinanderbricht, musste eine Lösung gefunden werden, die damals nicht unüblich war. Ein Bruder von Josef Jandl, Eduard, musste seine verwitwete Schwägerin heiraten. Allerdings war Eduard nach Amerika ausgewandert und hatte sich bereits in St. Paul, Süddakota und dann in Webster (Westvirginia) als Arbeiter auf einer Farm und später in einem Sägewerk leidlich eingelebt. Trotzdem folgte er dem Ruf seiner Familie und kam wieder nach Hause, um die Stelle seines Bruders einzunehmen.
Interessante Aufschlüsse über die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Donaumonarchie im Ersten Weltkrieg birgt die Geschichte, wie die Familie Wüger im zweiten Kriegsjahr zu der Lichtsäule kam.

Da man zu Beginn des Krieges nur auf einen kurzen Waffengang eingestellt war, machte man sich natürlich keine Gedanken über die Versorgung der Bevölkerung. Allerdings stiegen bald die Preise auf dem Lebensmittelmarkt, Brotgetreide wurde in Westungarn schon im ersten Kriegsjahr wesentlich teurer, da wichtige Anbaugebiete der Monarchie wie Galizien oder die Bukowina als Frontgebiete wegfielen. Mineraldünger wurde knapp, da die notwendigen Rohstoffe für militärische Zwecke requiriert wurden, es fehlte immer mehr an Arbeitskräften, weil die Männer an der Front waren. Eine schlechte Ernte und überbordende Preise bewirkten, dass schon im Dezember 1914 die Getreidepreise reguliert werden mussten. Anfang 1916 ging man dazu über, Bezugskarten für Brot und Mehl, später auch für Fette und für Erdäpfel einzuführen. Es gab einen florierenden Schwarzmarkt und der Schmuggel blühte, Ungarn musste gegen Österreich rigorose Grenzsperren errichten. Die großen Preisunterschiede bewirkten, dass trotzdem viele Lebensmittel nach Österreich abflossen. Die Knappheit betraf zuerst vor allem die Städter. In diesem Szenario bahnte die Familie Wüger das Geschäft mit einem Wiener Steinmetz an und bezahlte mit Lebensmitteln die Lichtsäule. Mit zwei Pferdegespannen wurde das fertige Marterl von Wien 1916 abgeholt.

1921 – das Burgenland war bereits nach dem Friedensdiktat von Trianon durch die Siegermächte, Kämpfen mit ungarischen Freischärlern und letztendlich den Venediger Protokollen bei Österreich –  kam dieser Steinmetz noch einmal mit einem Illmitzer Bauern ins Geschäft. Die Familie Gartner „Tschidahɐnsl“ errichtete eine Lichtsäule zum Andenken an den 1918 gefallenen Sohn Michael beim Roten Kreuz. Auch hier ein identes Relief des Erzengels Michael, was auf denselben Bildhauer schließen lässt. Zudem gab es ein verwandtschaftliches Verhältnis zu der Familie Wüger, den Erbauern des „Hɐoushɐnsl“-Kreuzes und dieselbe Textpassage „infolge Kriegsleiden“.